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Einführung ins japanische Design: Muji, Kaikado, Yanagi, Nogushi, Kuramata, Kita

Das beste japanische Design ist wahrscheinlich das Nicht-Design, das extrem entdesignte Design, das Design, das keinem mehr als „Design“ auffällt. Japanisches Design von der Teedose bis zur Möbelkunst. Klassiker und Trends im japanischen Design von Muji, Kaikado, Yanagi, Nogushi, Kuramata, Kita.

Als ein kleines, aber feines Beispiel können die Büroklammern gelten, die die japanische Warenhauskette Muji im Angebot hat. Auch die aus halbtransparentem Polypropylen gefertigten Aufbewahrungsboxen, die Muji auf Lager hat, erfüllen in ihrer auffälligen Schlichtheit und ausgesprochenen Nützlichkeit sicher das „Hallo-Ich-Bin-Ein-Design-Produkt“-Verbot.

Kaikado

Ein weiterer Fall von typisch japanischer Kombination aus Sinn für das Praktische und Beschränkung auf das Notwendigste sind die Teedosen von Kaikado. Es gibt sie seit 1875, sie werden in Handarbeit in mehr als 130 Einzelschritten hergestellt und sind in verschiedenen Größen in Kupfer, Messing, Weißblech oder Silber erhältlich. In Europa sind sie leider nur in Mailand und einem kleinen, versteckten Laden in London zu besichtigen – und angemessen teuer (ab etwa 90 Pfund). Die Jahre können der Schönheit dieser Dosen nichts anhaben, mit der Zeit verändert sich nur der Farbton, ein Effekt, der den Wert noch steigert.

Sori Yanagi: Butterfly Stool, Elefant Stool

Wer es nicht bei Büroklammern und Teedosen bewenden lassen möchte, kann sich auf einem Entwurf japanischer Möbelkunst niederlassen, der es zu weltweiter Beachtung geschafft hat. Im Jahr 1954 gelang Sori Yanagi (1915 bis 2011) der „Butterfly Stool“ (bei Vitra), ein Hocker ohne Rücken- und Armlehne, der aus zwei gebogenen Sperrholzhälften besteht, die sich zu einer Sitzfläche zusammenfügen. Das grazile, einfache, unaufdringlich-organische, aber perfekte und eben an einen Schmetterlingsflügel erinnernde Möbel lädt geradezu zu meditativem Ruhen ein. Im selben Jahr stellt Yanagi auch seinen „Elephant Stool“ vor, ein stapelbarer, kleiner Hocker aus Fiberglas, geeignet für den Innen- wie für den Außenbereich (ebenfalls bei Vitra). Beide Hocker schafften es in die Designbestände des Museum of Modern Art.

Design aus Japan: Isamu Nogushi

Von derselben Design-Philosophie geprägt zeigt sich der von dem Bildhauer, Architekt und Designer Isamu Noguchi entworfene Couchtisch aus dem Jahr 1944. Nogushi (1904 bis 1988) war Amerikaner, sein Vater Japaner, er selbst studierte und arbeitete in frühen Jahren u.a. in Frankreich (bei Constantin Brancusi), China und Japan, später unterhielt er Studios in Japan und New York. Bei dem halbhohen Tisch liegt eine schwere, biomorph geformte Glasplatte auf zwei miteinander verbundenen, ähnlich organisch geformten Holzteilen: eine Möbelskulptur, die Zen-artige Gelassenheit nahezu genial mit praktischem Nutzen verbindet.

Akari: Japanische Bedürfnisse nach Harmonie

Mit seinen Papier-Leuchten löste Nogushi auf der halben Welt eine Flut von Nachahmungen aus, die freilich nie die Feinheit und künstlerische Subtilität der Originale erreichten und fatalerweise eher zum Überdruss an derlei Modellen beitrugen. Zu Beginn der fünfziger Jahre kreiert Nogushli eine ganze Serie von Tisch-, Boden- und Hängelampen, die er aus Washi-Papier und Bambusgestängen fertigte. Mal in freien organischen Formen, mal streng geometrisch gerieten die von Hand hergestellten „Akari“-Modelle zu sanft aus sich selbst heraus leuchtenden, bis zu anderthalb Meter langen Skulpturen, die ganz dem japanischen Bedürfnis nach absoluter Harmonie folgten (bei Vitra und etwa über das Nogushi Museum in New York). Wer sich nicht den Blick von den in Massen fabrizierten Papierballon-Lampen verstellen lässt, erkennt in den „Akari“-Modellen Ikonen der Moderne.

Japanisches Design: Shiro Kuramata. Side 1

Auch andere Designer trugen dazu bei, die Ideale traditioneller japanischer Formgebung in der Welt bekannt zu machen. Shiro Kuramata (1934 bis 1991) etwa, dessen wellenförmig geschwungene Schubladenkommode „Side 1“ (von 1970) Einfachheit und Raffinesse verbindet. Sein Bücherregal (ebenfalls von 1970) geht den entgegengesetzten Weg, statt eines sanften Schwungs herrscht hier ein strenges Raster (beides bei Cappellini). Gemeinsam ist den Entwürfen aber der Verzicht auf jeden Zierrat, jede Ablenkung vom Wesentlichen, der auf eine tiefe Durchdringung der gestellten Aufgabe hindeutet.

Beistelltisch Kick und Lampe Hebi: Toshiyuki Kita

Ganz auf dieser Linie arbeiten auch Toshiyuki Kita (geboren 1942), dessen Beistelltisch „Kick“ (1983, bei Cassina) Design-Witz mit japanischem Gleichmut verzahnt, oder Isao Hosoe (auch 1942 geboren), dessen biegsame „Hebi“-Tischlampe (1970, bei Valenti) konsequent der ihr zugedachten Funktion folgt, wenn auch in poppigen Farben.

An beiden Beispielen zeigt sich der Trend, überlieferten japanischen Design-Purismus mit westlicher Freude am überraschenden Effekt zu kreuzen.