Er gehört zu den spannendsten Stimmen der deutschen Designszene: Fabian Freytag, Interior Designer, Architekt und Künstler, steht für Räume mit Haltung. Bekannt wurde er durch seine ausdrucksstarken Farbkonzepte, mutigen Stilbrüche und seine Liebe zu Objekten, die Geschichten erzählen.
Freytags Entwürfe sind nie kühl oder distanziert – sie leben, atmen und spielen. Seine acht Regeln der Innenarchitektur sind deshalb weniger Dogmen als Denkimpulse. Sie sollen helfen, das eigene Zuhause als Spiegel der Persönlichkeit zu verstehen – nicht als Showroom.
1. Wahrheit im Volumen
Gute Einrichtung bedeutet Präsenz. Räume wirken dann authentisch, wenn ihre Gegenstände eine klare Aussage haben. Freytag rät dazu, groß zu denken – gerade in kleinen Räumen. Großformatige Möbel und Muster verleihen Struktur und Tiefe. „Mut zur Größe“ ist dabei keine Frage des Platzes, sondern der Haltung. Ein raumgreifendes Sofa oder ein großes Kunstwerk kann mehr Ruhe schaffen als viele kleine Objekte, die Unruhe erzeugen.
2. Mut zu Mehr
„Ein klares Ja zu Farbe, Form und Charakter“, sagt Freytag. Sein Credo lautet: lieber übertreiben als unterfordern. Räume dürfen Geschichten erzählen und Emotionen wecken. Opulenz ist für ihn kein Selbstzweck, sondern Ausdruck von Würde. „Möbel haben einen Charakter. Und man sollte sich fragen: Will ich mich wirklich jeden Tag mit einem Sitzsack unterhalten?“ Diese humorvolle Zuspitzung bringt seine Philosophie auf den Punkt: Räume brauchen Persönlichkeit.
3. Form flirtet mit Funktion
Jedes Möbelstück sollte genutzt werden – oder verschwinden. Ein Raum voller ungenutzter Sessel, Regale und Beistelltische wirkt leblos. Funktionalität ist wichtig, aber erst die emotionale Komponente macht ein Möbel zu einem Teil des Lebens. Freytag fordert dazu auf, die eigene Einrichtung bewusst zu betrachten: „Welche Geschichte erzählt jedes Objekt? Wenn mir nichts einfällt, gehört es wahrscheinlich nicht hierher.“
4. Die Kunst des Kontrasts
Für Freytag liegt die Schönheit oft im Widerspruch. Gegensätze – alt und neu, rau und glatt, matt und glänzend – erzeugen Spannung. Auch bei der Farbgestaltung setzt er auf Kontraste mit Augenmaß. Komplementärfarben schaffen Harmonie, wenn sie in zurückhaltender Intensität verwendet werden. „Verzichten Sie auf harte RAL-Töne. Farben mit Weißanteil wirken weicher und feiner.“ Weniger ist hier mehr: Zwei Hauptfarben reichen, kleine Highlights lenken den Blick gezielt.
5. Inszenierte Inseln
Freytag sieht das Zuhause als eine Bühne mit klaren Szenen. „Denken Sie in Inseln“, lautet seine Empfehlung. Esstisch, Teppich, Leuchte und Vase bilden eine Einheit – aber keine Ansammlung. Zwischen den „Inseln“ sollte Platz bleiben, damit jedes Arrangement wirken kann. Sein Praxistipp: Räume fotografieren. Auf dem Bildschirm sieht man sofort, wo das Gleichgewicht fehlt oder zu viel passiert. „Ein gutes Interieur hat Rhythmus, keine Überlagerung.“
6. Licht und Leben
Kaum ein Designer spricht so pointiert über Licht wie Freytag. „Der mittlere Deckenauslass ist der Blinddarm der Innenarchitektur – man kann ihn getrost entfernen.“ Statt einer zentralen Lampe plädiert er für viele kleine Lichtquellen, die Atmosphäre schaffen. Seine Faustregel: Die drei Ps – Putzen, Party, Privat. Jedes Szenario braucht eigenes Licht. Flexible Schienensysteme, Tischlampen und Wandleuchten sorgen für Struktur und Stimmung. „Licht modelliert Räume – und gute Beleuchtung ist der schnellste Weg zu einem besseren Zuhause.“
7. Wunderbare Wiederholung
Wiederkehrende Elemente schaffen Ruhe. Farben, Materialien und Muster sollten mindestens zweimal auftauchen. Das verleiht dem Raum Selbstverständlichkeit und verhindert visuelle Unruhe. Freytag spricht von einem „Gestaltungsrhythmus“ – ähnlich wie in der Musik. Wer sich zu oft in spontanen Einzelentscheidungen verliert, verliert das Konzept. Wiederholung gibt dem Raum eine Identität.
8. Kochen statt Backen
Freytag steht für kreative Freiheit statt Planungsstarre. „Innenarchitektur ist wie Kochen – kein exaktes Rezept, sondern ein Gefühl.“ Inspiration kann ein Ort, ein Gericht oder eine Erinnerung sein. „Ein Raum sollte so schmecken wie ein gutes Essen – harmonisch, überraschend, mit einer klaren Handschrift.“ Er warnt vor zu vielen Moodboards und dogmatischen Konzepten: „Besser ist ein Leitgefühl – das kann mediterrane Leichtigkeit sein, ein Hotel, eine Reise oder die eigene Kindheit.“
Hinter den Regeln steht eine neue Generation
Fabian Freytag wurde in Hamburg geboren und studierte Architektur, bevor er sich dem Interior Design und der Kunst zuwandte. Sein Stil ist geprägt von Experimentierfreude, Ironie und einer gewissen Berliner Lässigkeit. In seinen Projekten verschmelzen handwerkliche Präzision, farbliche Kühnheit und humorvolle Details. Er arbeitet mit internationalen Marken, entwirft Möbel und Räume, die sich bewusst über Konventionen hinwegsetzen.
Bekannt wurde Freytag durch seine Fähigkeit, Emotion in Räume zu übersetzen – immer mit einem Augenzwinkern. Er kombiniert Vintage mit High-End, Glamour mit Minimalismus und lässt Räume Geschichten erzählen. Für ihn ist Wohnen kein Statussymbol, sondern Ausdruck von Haltung: „Ein Zuhause muss zeigen, wer man ist – und nicht, was man besitzt.“
Sein Ansatz steht exemplarisch für eine neue Generation von Gestaltern, die Ästhetik und Individualität miteinander verbinden. Dabei geht es weniger um Trends als um Persönlichkeit. „Räume sind wie Menschen – sie dürfen Ecken haben, sie dürfen laut sein, sie dürfen überraschen.“
Freytags acht Regeln, die er in Medien nennt, sind keine Vorschriften, sondern Inspiration. Sie lehren, bewusst hinzusehen, zu fühlen und Entscheidungen mit Intuition zu treffen. Seine Räume erzählen Geschichten – und genau das macht sie so lebendig. Zwischen Ironie und Eleganz, Konzept und Chaos zeigt Fabian Freytag, dass wahre Innenarchitektur dort beginnt, wo man sich traut, man selbst zu sein.
