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Wohnkonzept Open House: Wie ein öffentliches Museum?

Open House – jeder darf kommen und alles anfassen. Unser Autor Matti verzweifelt manchmal an Menschen, für die in Wohnungen nichts unantastbar bleibt. Er ist aber auch fasziniert. Eine Kolumne.

Neulich klingelte es an meiner Tür – und es war schon wieder so weit: Ein Pärchen, das wir kaum kannten, drückte sich wie selbstverständlich in meiner Wohnung umher, als wäre das hier eine Galerie mit kostenlosem Eintritt.

Sie hatten gehört, ich würde auf Instagram begeistert von meinem letzten Krimi schwärmen, und nun wollten sie „mal schauen, ob die Regalwand echt so imposant“ sei, wie ich beschrieben hatte. Ich, leicht irritiert, schlurfte im Schlabberlock hinterher, während die beiden lachten und sich freudig über das Wohnzimmer hergemacht haben. „Oh, wie gemütlich hier! Die Küche ist ja riesig!“, rief die Dame und grinste mich an, als habe ich meine sechs Quadratmeter dem Louvre entliehen. In diesem Moment wurde mir wieder bewusst: Manche Menschen leben mit einem „Open House“-Grundprinzip, das mich gleichermaßen fasziniert und beunruhigt.

Niemand hat je gefragt, ob er darf

Man stelle sich vor: Niemand hat jemals geklingelt, um zu fragen, ob er eintreten darf. Es gibt keine verschlossenen Türen, keinen geheimen Flur, kein verborgenes Büro, in das man lediglich die Schlüssel verlieren könnte. Bücher? Greifen Sie zu! Teller im Schrank? Wirf sie mit Liebe in die Spülmaschine! Privatsphäre? Ach, das Wort kennt man hier nicht einmal in der Nähe der Rechtschreibprüfung. Diese Menschen gefallen sich offenbar in dem Gefühl, in ihrer Wohnung jede Schwelle zu übertreten – und jede Schwelle einladen zu dürfen.

Ein überaus romantisches Verständnis

Ich weiß nicht, was diese Leute antreibt. Ist es Schamlosigkeit? Ein romantisches Verständnis von Gastfreundschaft? Oder die Überzeugung, dass Wohnungen luxuriöse Freibäder für Besucher sein sollten? Vielleicht eine Mischung aus allem. Jedenfalls staune ich, wie gelassen sie jeden Raum ihrem Publikum präsentieren, als wäre ihr Zuhause ein ständig stattfindender Flohmarkt ohne versteckte Ecken. In ihrer Welt sind Schubläden nichts weiter als überdimensionale Abwurfstellen. Und wenn der Kühlschrank zufällt, sieht man sie mit ehrlicher Freude hineingreifen, als wäre darin ein Tresor voller Schätze – und nicht nur das übliche Mischkonzert aus vergessenen Joghurts und angebrochenen Gemüseresten.

Erst fliegen Blicke

Ich selbst gehöre zu jenen, die mit verschlossenem Herzen durchs Leben schleichen. In meinem Büro liegen Ordner ordentlich im Regal, hinter Acryl-Steckschutz. Meine Bücher sind vorsortiert: Erst die Krimis, dann die Sachbücher, schließlich die Romane – alles fein säuberlich nach Farben geordnet. Und wehe dem, der ohne Erlaubnis ein Exemplar entwendet: Dann fliegen Blicke, schärfer als jede Laserwaffe. Meine Schubladen haben kryptische Beschriftungen („Projekte 2022“, „Bastelkram“ – nein, nicht für Besuch gedacht!), und hinter einer unscheinbaren Holztür befindet sich das Gäste-WC, das wirklich nur für Gäste reserviert ist. Wer bei mir eintritt, muss erst eine kleine Hürde nehmen: die höfliche Frage, ob er sein Smartphone auf lautlos stellen wolle – und das aus gutem Grund.

Wer ist dieser „Open House“-Mensch?

Für „Open House“-Menschen hingegen existiert keine Hürde. Sie sind überzeugt, dass Privatsphäre eine überholte Illusion sei, ein starrer Luxus, der in einer modernen Gesellschaft nichts mehr verloren habe. Für sie ist es befreiend, das eigene Heim ohne Vorhänge zu präsentieren – einfach, weil sie keinen Grund sehen, Geheimnisse zu bewahren. Wenn sie ihr Wohnzimmer einmal umräumen, dann nicht, um etwas zu verbergen, sondern um es noch freier zugänglich zu machen. Die einzige Barriere zwischen innen und außen ist eine minimalistisch designte Tischkante, und selbst die bleibt nicht unberührt: Mein Besuch pflanzte einen Fingerabdruck in die seidenglänzende Pulverbeschichtung, als hätte er einen Ehrenstempel hinterlassen.

Letzte Rückzugsräume kampflos hergeben?

Ich schätze diese Offenheit, so seltsam sie mir auch vorkommt. Es ist ein Akt des absoluten Vertrauens, der mich manches Mal fast ehrfürchtig zurücklässt: Wie gut muss man sein Leben organisiert haben, um jeden Fremden in seine intimsten Bereiche zu lassen? Wie viel Lust an Gemeinschaft, an geteilten Mini-Momenten, muss man haben, um die letzten Reste persönlicher Rückzugsräume kampflos herzugeben? Sie betrachten ihr eigenes Heim nicht als Burg, sondern als Marktplatz – einen bunten Basar aus Geschichten, Bildern und Geschichten, den sie großzügig an alle vorbeischlendernden Reisenden verschenken.

Meine Schubladen sind vertrauliche Archive

Ich wiederum sehe meine Wohnung als eine kleine Festung der Selbstbestimmung: Jede Ecke hat meine Handschrift, jeder Gegenstand ist Teil einer ungeschriebenen Erzählung. Wenn ich leise in den Garten schleiche, brauche ich niemandem zu erlauben, mich zu stören. Meine Schubläden sind vertrauliche Archive, in denen sich meine Gedanken und Projekte mit Zetteln voller privater Erinnerungen verbünden. Und ja, manchmal habe ich das Gefühl, es sei ein bisschen eitel, mein kleines Refugium so weitläufig vor jedem zu schützen. Aber ich brauche diese Eitelkeit – sie ist meine Art, Würde zu wahren.

Bewachen und öffnen

Vielleicht, so denke ich, können wir alle ein wenig von jener respektlosen Offenheit lernen: die Freude daran, das eigene Leben nicht ausschließlich in goldgerahmten Momenten zu inszenieren, sondern in spontanen Begegnungen.

So beschließe ich an diesem Tag, mein kompliziert arrangiertes Bücherregal zu bewachen und die Schubladen verschlossen zu halten – als stilles Sinnbild dessen, dass ein Zuhause auch ein kleiner Hafen sein kann, der nicht an jeder Ecke offensteht. Und doch, ab und an, eine kleine Einladung ausgesprochen wird: Nur um richtig zu feiern, was es heißt, ein eigenes Reich zu haben – frei nach dem Motto: Wer reinschaut, ist willkommen, aber nur auf Einladung.