Ostdeutsches Design ist besser als sein Ruf. Kein Wunder, dass original DDR-Objekte unter Sammlern heiß gehandelt werden.
Design in der DDR: Gab es das überhaupt? Eine berechtigte Frage, weil wir zwar typische DDR-Produkte kennen, nicht aber ihre Designer. Der Grund: Der Großteil der ,Formgestalter“ in der DDR arbeitete als einfache Angestellte in den Betrieben und blieb deshalb – bis auf wenige Ausnahmen – unbekannt. Ohne große Namen war Design made in Ostdeutschland nach der Wende nicht viel wert.
Designer hatten keinen Namen
Was dort trotz Rohstoffmangel und strikter Exportpolitik entworfen und produziert wurde, findet heute zunehmend Gefallen bei Sammlern, die nicht nur die Funktionalität und Langlebigkeit der Produkte schätzen, sondern auch die klaren Formen. Echte Designerstücke wie eine Musikanlage waren für die meisten Bürger zwar unerschwinglich, Alltägliches wie Geschirr und Spielzeug fand sich aber in jedem Haushalt. Und so sind heute nicht nur DDR-Luxusgüter, sondern auch Gebrauchsgegenstände Kult. Und mit ihnen ein Stück deutsche Geschichte.
Designklassiker made in GDR
Wer sich stilvoll einrichten will, der denkt wahrscheinlich zunächst einmal an Biedermeier, Gründerzeit oder Bauhaus. Ein Geheimtipp – und das nicht nur im Osten des Landes – sind Möbel aus Hellerau.
Einfach schön, so lässt sich auf den Punkt bringen, was einst in den Deutschen Werkstätten Hellerau (DWH) nahe Dresden gefertigt wurde. 1898 war das Unternehmen von dem Tischler Karl Schmidt (1873-1948) unter dem Namen „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“ gegründet worden. Schmidt hatte sich in England umgesehen und von dort die Idee der industriellen Möbelfertigung mitgebracht. Formschön und hochwertig sollte sein, was in Hellerau getischlert wurde – und erschwinglich für den Normalbürger. Bald schon waren die Werkstätten zur ersten Adresse in der modernen Innenausstattung geworden. Das verdankten sie auch der Zusammenarbeit mit Architekten wie Heinrich Tessenow (1876-1950), Richard Riemerschmid (1868-1957) oder Peter Behrens (1868-1940), alle Vertreter der Neuen Sachlichkeit.
Designklassiker lange vor dem Bauhaus
Schmidt, Anhänger der Lebensreformbewegung und Gründer der Gartenstadt Hellerau, war seiner Zeit weit voraus. Aus seinen Werkstätten kamen die ersten Typenmöbel, lange bevor das Bauhaus für Furore sorgte. Die von ihm beschäftigten Künstler und Kunsthandwerker wurden in den Produktkatalogen genannt, was damals ein Novum war. So entstanden Linien, die zum Programm wurden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es hauptsächlich Franz Ehrlich (1907-1984), der die Möbel aus Hellerau so unverwechselbar machte. Ehrlich war Architekt, Graphiker und Designer. Wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ hatte er unter den Nazis im Konzentrationslager Buchenwald gesessen und dort die Torinschrift „Jedem das Seine“ gestaltet. In der Nachkriegszeit leitete Ehrlich den Wiederaufbau Dresdens und entwarf unter anderem das DDR-Rundfunkgebäude in der Berliner Nalepastraße, dessen Akustik noch heute Weltruf genießt.
Fast so begehrt wie ein Trabant
In Hellerau, dessen Werkstätten in den 1960er-Jahren verstaatlicht wurden, zeigte Ehrlich sein Können als Möbeldesigner. Helle Holztöne (vorwiegend Senesche), schlanke, leicht ausgestellte Beine und hohe Funktionalität – das waren die Markenzeichen der furnierten Schränke, Tische und Anrichten. Später kamen Anbauwände hinzu, die fast so begehrt waren wie ein Trabant. Doch da arbeitete man schon sozialistisch sparsam mit Pressspanplatten und Holzfolien statt Furnier.
Beim großen Ummöblieren nach der Wende im Jahr 1989 wurden auch viele scheinbar wertlose Möbel aus Hellerau auf dem Sperrmüll entsorgt. Heute sind sie eine Rarität, ähnlich begehrt wie Bauhaus-Stücke. Ein wahrer Klassiker ist der von Ehrlich entworfene Schreibtisch, bei dem unter der Schreibplatte drei schmale Schübe nebeneinander angeordnet sind. Minimalistischer und formschöner geht es kaum. Wer diesen Designklassiker gerne im Wohn-oder Arbeitszimmer hätte, kann es im Magasin-Berlin versuchen.
In der Tradition des „Holz-Goethe“
Solche Möbel bewahren den Ruf der einstigen Deutschen Werkstätten, die sich heute auf den hochwertigen Innenausbau von Villen, Yachten und Edelboutiquen spezialisiert haben. Seinen Anfang aber nahm all das mit Karl Schmidt, dem man seiner ästhetischen und handwerklichen Ideen wegen auch „Holz-Goethe“ nannte. Und das wurde er tatsächlich, ein Klassiker der modernen Möbelindustrie.