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Warum Bauvorschriften im Innenausbau den Wohnungsbau bremsen

Deutschland braucht dringend mehr Wohnungen – doch der Neubau kommt kaum voran. Neben steigenden Materialkosten und Fachkräftemangel tragen auch komplexe Bauvorschriften im Innenausbau zur Verlangsamung bei. Verschärfte energetische Vorgaben, Brandschutz- und Barrierefreiheitsanforderungen sowie neue Regelungen im Bauvertragsrecht machen viele Projekte teurer und komplizierter.

Besonders im Innenausbau, der die technische Umsetzung im Gebäude betrifft, führt das zu Planungsunsicherheit und Verzögerungen.

Energieeffizienz als Kostentreiber

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) bildet das Fundament der aktuellen Bauvorschriften. Ab 2025 gelten verschärfte Anforderungen an die Energieeffizienz: Neubauten müssen dann so gedämmt sein, dass sie strengere U-Werte einhalten, und mindestens 65 Prozent ihres Wärmebedarfs aus erneuerbaren Energien decken.

Was zunächst nach einem sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz klingt, hat in der Praxis weitreichende Folgen. Im Innenausbau betrifft das nicht nur die Heiztechnik, sondern auch Lüftungssysteme, Dämmmaterialien und die Ausführung von Trennwänden oder Decken. Die Integration moderner Wärmepumpen, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und zusätzlicher Dämmung erfordert mehr Technikflächen, dickere Wandaufbauten und komplexere Planung.

Gerade kleinere Bauunternehmen und private Bauherren stoßen hier an Grenzen – sowohl finanziell als auch organisatorisch. Die energetischen Anforderungen sind hoch, die wirtschaftlichen Spielräume gering.

Sanierungspflicht erschwert Umbauten

Auch im Bestand wirkt das GEG bremsend. Nach § 48 des Gesetzes greift eine sogenannte Sanierungspflicht, sobald bauliche Veränderungen mehr als zehn Prozent eines Bauteils betreffen – etwa bei der Erneuerung von Innenwänden, Decken oder Böden.

Wer also größere Modernisierungen plant, muss gleichzeitig energetische Maßnahmen durchführen, beispielsweise zusätzliche Dämmungen oder den Austausch von Heiz- und Lüftungssystemen. Das treibt die Kosten in die Höhe und verlängert Bauzeiten erheblich.

Was ursprünglich als Anreiz zur energetischen Modernisierung gedacht war, wirkt bei kleineren Umbauten wie eine bürokratische Hürde. Viele Eigentümer verschieben Sanierungen oder entscheiden sich gegen Umbaumaßnahmen, weil der Aufwand unverhältnismäßig hoch erscheint.

Bauvertragsrecht: mehr Flexibilität, aber auch Unsicherheit

Das reformierte Bauvertragsrecht (§ 650 BGB) soll eigentlich für mehr Planungssicherheit sorgen. Es erlaubt Abweichungen von technischen Normen oder Komfortstandards, wenn dies ausdrücklich im Vertrag festgelegt wird. So können Bauherren und Auftragnehmer vereinbaren, auf bestimmte aufwendige Ausführungen zu verzichten, um Kosten zu sparen.

Doch in der Praxis führt genau das zu Unsicherheit. Viele Planer und Bauunternehmen fürchten, dass sie bei Abweichungen haftungsrechtlich angreifbar werden. Bauherren wiederum scheuen die komplizierte Vertragsgestaltung. Der Aufwand für juristische Abstimmung und Dokumentation steigt – und mit ihm die Planungsdauer.

Brandschutz und Barrierefreiheit als planerische Herausforderung

Neben der Energieeffizienz zählen Brandschutz und Barrierefreiheit zu den größten Kostentreibern im Innenausbau.

Brandschutzvorschriften regeln etwa den Einsatz feuerhemmender Materialien, die Anordnung von Fluchtwegen oder die Beschaffenheit von Türen und Trennwänden. Diese Vorgaben sind aus Sicherheitsgründen notwendig, erfordern aber aufwendige Abstimmungen zwischen Architekten, Fachplanern und Behörden.

Auch die Barrierefreiheit – gesetzlich vorgeschrieben in nahezu allen Neubauten – verlangt zusätzliche Flächen und technische Anpassungen: breitere Türdurchgänge, bodengleiche Duschen, Bewegungsflächen in Sanitärräumen oder kontrastreiche Gestaltung. Gerade bei begrenzten Grundrissen führt das zu schwierigen Kompromissen.

Das Ergebnis: Innenräume werden komplexer, technischer und teurer.

Hoffnungsträger Gebäudetyp E

Ein erster Versuch, den Bau zu vereinfachen, ist der sogenannte Gebäudetyp E („Einfach“), der ab 2025 bundesweit eingeführt werden soll. Er erlaubt bei Wohngebäuden vereinfachte Standards im Innenausbau – etwa bei Schallschutz oder Oberflächenqualitäten –, sofern die Grundsicherheit und Energieeffizienz gewährleistet bleibt.

Das Modell soll kostengünstiges Bauen ermöglichen, indem es auf bestimmte Komfortanforderungen verzichtet. Doch die Umsetzung steht noch am Anfang, und bislang ist der Gebäudetyp E nur in wenigen Bundesländern erprobt.

Zudem bleibt unklar, wie sich die vereinfachten Standards mit den bestehenden energetischen und brandschutztechnischen Vorgaben vereinbaren lassen. Ohne einheitliche Regelung drohen neue Unsicherheiten statt echter Entlastung.

Gut gemeint, aber hemmend

Die Vorschriften im Innenausbau sind ein Spiegelbild der deutschen Baupolitik: gut gemeint, aber in der Umsetzung oft hemmend. Strengere Energieeffizienzvorgaben, komplexe Sanierungspflichten und hohe Sicherheitsstandards sind aus technischer Sicht nachvollziehbar – in der Praxis aber ein zentraler Grund, warum Neubauten teurer und langsamer entstehen.

Solange der rechtliche Rahmen keine Balance zwischen Klimaschutz, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit findet, bleibt der Wohnungsbau ein zähes Unterfangen. Vereinfachte Modelle wie der Gebäudetyp E könnten helfen – wenn sie konsequent umgesetzt und bürokratisch entlastet werden. Erst dann hat der Innenausbau die Chance, wieder das zu sein, was er sein sollte: der flexible, kreative Teil des Bauens – nicht sein größtes Hindernis.